Die 10 Gebote im Finanzstrafrecht
Das 6. Gebot im Finanzstrafrecht – Der Irrtum – „Irren ist menschlich“!

Der Irrtum im Finanzstrafgesetz wäre geradezu dazu prädestiniert, den oft komplexen Regelungen im Abgabenrecht, welche durch die Blankettstrafnormen des FinStrG in den Tatbestand hineingelesen werden, entgegen zu wirken. Er wird aber oft nur behauptet und daher auch in den meisten Fällen verworfen. Warum man dem Irrtum mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, dient der kurze nachstehende Abriss.

1. Die Problemstellung – oder warum ist der „Irrtum“ ein Gebot:

Dem Irrtum im Finanzstrafrecht sollte eine größere Rolle bei der Beurteilung von Finanzvergehen zukommen, was auch der vorliegenden Komplexheit der steuerlichen Bestimmungen geschuldet ist. Dies findet sich m.E. auch in den Regelungen selbst, nach dem Motto „irren im Steuerrecht ist menschlich“, wieder. So gesehen, sind die Regelungen insoweit auch entgegenkommender als im allgemeinen Strafrecht. Wenn man durch einen relevanten Irrtum die Gerichtszuständigkeit, ein Vorsatzdelikt, ja selbst ein Fahrlässigkeitsdelikt vermeiden kann, ist es geradezu geboten, diesen in die finanzstrafrechtlichen Strategieüberlegungen mit einzubeziehen.

2. Die Irrtumsregelung im Einzelnen:

2.1. Grundlegendes:

Der Irrtum gemäß § 9 FinStrG regelt nach jüngster Auffassung[1] nur mehr den Rechtsirrtum, der Tatbildirrtum als Kehrseite des Vorsatzes knüpft an § 8 Abs 1 FinStrG an.[2] Schon unter diesem Aspekt muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, unabhängig von den damit verbundenen Rechtsfolgen, welcher Irrtum jetzt tatsächlich vorliegt und welches darauf basierende Vorbringen erstattet wird. Die Unterscheidung ist auch deshalb, was die eigene Argumentationsfindung betrifft, wesentlich, wenn man auch die Frage prüft, ob nicht eine (nicht auf einem Irrtum basierende) vertretbare Rechtsansicht vorliegt. Die eigene Einordnung und Beurteilung sind daher nach Ansicht des Autors wesentlich, um das Ziel einer durchgehenden und geradlinigen Argumentation sicher zu stellen. Das Vorliegen eines Irrtums und der damit verbundenen Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen sind auf den Tatzeitpunkt bezogen zu beurteilen.

Die Anwendung scheitert jedoch oft aus dem Grund, als der Irrtum nur behauptet oder lediglich auf die Regelung des § 9 FinStrG (und schon gar nicht auf § 8 Abs 1 FinStrG) verwiesen wird, ohne sich im Detail damit auseinanderzusetzen. Sich damit auseinandersetzen bedeutet eben glaubhaft[3] zu machen, warum und aus welchen Gründen ein entschuldbarer, oder wenn diese Voraussetzungen eben nicht gegeben sind, warum ein unentschuldbarer (Rechts-)Irrtum oder ein Tatbildirrtum vorliegt. Oder es liegt überhaupt kein Irrtum vor und es ist eine andere Form der Rechtfertigung zielführender. Wenn ein solcher Irrtum jedoch gegeben ist, ist es ein Gebot, diesen auch glaubhaft auszuführen, selbst wenn die entscheidende Behörde bei Vorliegen von Indizien selbstverständlich im Rahmen der Amtswegigkeit verpflichtet wäre, dahingehende Beweise selbst aufzunehmen.

Selbstverständlich ändert das auch nichts an der weiter bestehenden Beweislast und damit auch des notwendigen Beweismaßes im Finanzstrafrecht u.a. hinsichtlich des zweifelsfreien Vorliegens der Voraussetzungen der zugrunde liegenden Finanzstraftat.

2.2. Begriffsbestimmungen und Rechtsfolgen:

Kurz auf einen einfachen Nenner gebracht spricht man von einem Tatbildirrtum dann, wenn der Täter den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht richtig erkennt. Dies reicht vom einfachen Irrtum über Tatsachen (z.B. des Übersehens eines Honorareinganges am Kontoauszug) bis hin zum Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale (z.B. zum Bedeutungsinhalt eines Scheingeschäftes), welche vor allem bei Blankettstrafnormen, wie des FinStrG, eine erhebliche Rolle spielen.

Die Rechtsfolge ist, dass bei einem Irrtum hinsichtlich eines Tatbestandsmerkmales der Vorsatz gemäß § 8 Abs 1 FinStrG entfällt. Bei leichter Fahrlässigkeit iSd § 8 Abs 2 FinStrG entfällt die Strafbarkeit wegen grober Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit kann nur aufgrund der Voraussetzungen nach § 8 Abs 3 FinStrG vorliegen.

Von einem Rechtsirrtum spricht man ganz vereinfacht dargestellt dann, wenn der Täter zwar den Sachverhalt richtig erkennt, ihn jedoch rechtlich unrichtig bewertet (z.B. sieht der Täter einen „Eingang“ am Kontoauszug, glaubt diesen jedoch nicht erklären und versteuern zu müssen). Die Rechtsfolge ist, dass bei einem entschuldbaren Irrtum gemäß § 9 S 1 HS 1 FinStrG die Strafbarkeit zur Gänze entfällt, ist er unentschuldbar wird dem Täter gemäß § 9 S 1 HS 2 FinStrG grobe Fahrlässigkeit zugerechnet.

Die Entschuldbarkeit wird im § 9 FinStrG nicht eigenständig definiert, orientiert sich jedoch nach der h.M. am § 9 Abs 2 StGB.[4] Danach ist ein (Rechts-) Irrtum vorwerfbar, „…wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre.“

In der Praxis geht es dabei auf den Punkt gebracht, um die entsprechende Einholung von Erkundigungen des Täters bei einer kompetenten Stelle, wenn ihm Zweifel an seiner Rechtsauffassung kommen mussten. Eine kompetente Stelle ist jedenfalls ein befugter Steuerberater, sofern diesem der Sachverhalt auch richtig und vollständig geschildert wurde[5], sofern dem Täter nicht seinerseits Zweifel an der Auskunft kommen mussten.[6]

3. Fazit:

In vielen Fällen werden nur irrelevante Irrtümer vorgebracht, welche auch die Behörde nicht veranlassen, entsprechende Beweise aufzunehmen. Sei es der Umstand, dass die Tat nach Ansicht des Täters nicht strafbar war, er einem Subsumtionsirrtum unterlegen ist, das Motiv, sowie ein Irrtum bei Selbstanzeigen (wenn Fehler bei der Konzeption oder Umsetzung begangen wurden).[7] Die Auseinandersetzung mit einem relevanten Irrtum unter Einbeziehung der Komplexität des Steuerrechts sowie der Bewertung dieser Umstände auf Laiensphäre unter Berücksichtigung u.a. der Umstände des Falles, der Bildung und beruflichen Tätigkeit des Täters zum Tatzeitpunkt sind nach Ansicht des Autors wichtige proaktive Schritte. Dies trotz Amtswegigkeit und trotz der Beweisregeln des Finanzstrafrechtes.

4. Empfehlungen für die Betriebsprüfung:

Im Rahmen von Betriebsprüfungen und der nachfolgenden Prüfung der Berichte durch die Finanzstrafbehörde sind vor allem jene verdachtsgegenständlichen Vorwürfe u.a. schwer mit einem Irrtum zu entkräften, wo festgestellt wurde, dass derartige abgabenrechtliche Verfehlungen schon in Vorprüfungen beanstandet, jedoch auch in der Folge nicht geändert wurden.

Es ist daher zu empfehlen, bereits vor dem Beginn einer neuerlichen Prüfung alte Prüfungsberichte abzugleichen, ob und inwieweit bisherigen eindeutigen abgabenrechtlichen Verfehlungen nachgekommen wurde, um die Indizwirkung solcher Feststellungen für die finanzstrafrechtliche Beurteilung nicht noch zu verstärken.

Der Autor bedankt sich bei den Lesern des WT für die sehr profunden Rückmeldungen hinsichtlich der hier veröffentlichen 3 Gebote in Kurzversion. Herzlichen Dank.

Über den Autor:

Dr. Christian Eberl ist Rechtsanwalt und hat sich seit 15 Jahren auf das Finanzstrafrecht spezialisiert. Im Besonderen auf die strategische Risikoanalyse und Präventivabwehr im Vorfeld und die Begleitung des steuerlichen Vertreters vor, in und nach der Betriebsprüfung iZm der finanzstrafrechtlichen strategischen Beratung und Verteidigung des Abgabepflichtigen.

Dr. Christian Eberl ist Herausgeber/Fachautor der Seminar-/Literaturreihe BrennpunktFinanzstrafrecht und BrennpunktBetriebsprüfung, JahresdialogFinanzstrafrecht sowie der 10 Gebote des Finanzstrafrechtes. Weitere Informationen finden sie unter www.www.ra-eberl.at.

KONTAKT

Dr. Christian Eberl, Rechtsanwalt, Fachkanzlei für Finanzstrafrecht
christian.eberl@ra-eberl.at | www.www.ra-eberl.at    

[1] umfassend in Schmitt in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Kommentar zum FinStrG, 5. Auflage, Rz 5ff zu § 9 FinStrG sowie Kahl/Kert in Leitner/Brandl/Kert, Kommentar zum FinStrG, 4. Auflage, Rz 533 ff

[2] Siehe dazu ua OGH 28.10.2015, 13 Os 112/15t „Indem die Beschwerde diesen Einwand unter Bezugnahme auf den Schuldausschließungsgrund des Rechtsirrtums (§ 9 FinStrG) vorträgt (Z 9 lit b), geht sie schon im Ansatz fehl, weil der Tatbildirrtum auch im Regelungsbereich des FinStrG auf der Tatbestandsebene angesiedelt ist“

[3] Seiler/Seiler, Kommentar zum FinStrG, 5. Auflage, Rz 3 und Rz 20 zu § 9 FinStrG

[4] ua Lässig, WK², FinStrG, Rz 2 zu § 9 FinStrG

[5] Schmitt in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Kommentar zum FinStrG, 5. Auflage, Rz 11 zu § 9 FinStrG

[6] Schmitt in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Kommentar zum FinStrG, 5. Auflage, Rz 12 zu § 9 FinStrG sowie Kahl/Kert in Leitner/Brandl/Kert, Kommentar zum FinStrG, 4. Auflage, Rz 562; Seiler/Seiler, Kommentar zum FinStrG, 5. Auflage, Rz 41 zu § 9 FinStrG

[7] Siehe dazu umfassend, Schmitt in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Kommentar zum FinStrG, 5. Auflage, Rz 7 zu § 9 FinStrG sowie Kahl/Kert in Leitner/Brandl/Kert, Kommentar zum FinStrG, 4. Auflage, Rz 564 ff